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Artenschutz unter Strom

Das Solarfeld in Oberndorf ist von verschiedenen Biotopstrukturen eingerahmt. (Bild: Andreas Engl)
Das Solarfeld in Oberndorf ist von verschiedenen Biotopstrukturen eingerahmt. (Bild: Andreas Engl)
© Land:Belebt
Das Solarfeld im niederbayerischen Oberndorf liefert mehr als Strom, denn Andreas Engl hat dort ein Mosaik aus verschiedenen Biotopstrukturen angelegt. Seitdem ist das Solarfeld ein Hotspot der Artenvielfalt. Genau so muss es sein, findet der Initiator, und arbeitet mit ganzer Kraft an einer Energiewende im Einklang mit der Natur.

„Wenn die Oma das Feld nicht hergegeben hätte, wäre das Ganze nix geworden“, sagt Andreas Engl. Schließlich hat er sie doch noch von seiner Idee überzeugt, die ehemalige Lehmgrube nicht mehr zu verpachten. Vielmehr schwebte ihm eine sinnvolle und nachhaltige Nutzung der rund drei Hektar großen Fläche im Landkreis Landshut vor. Energie ernten und gleichzeitig die Artenvielfalt fördern, das war seine Idee. „Wir sollten das Kapital der Natur schonen und von deren Zinsen leben“ - das Zitat von Heinz Sielmann brachte es für Andreas Engl auf den Punkt. 2012 entstand dann eine Solaranlage auf der Fläche, und weil sich Engl, damals noch Student der Landschaftsarchitektur, in seiner Bacherlorarbeit an der Hochschule Weihenstephan das „Weinbergprinzip“ ausgedacht hatte, testete er gleich in der Praxis, wie sich das mit dem Artenschutz bewähren würde.

Das Weinbergprinzip
Andreas Engl begreift das Solarfeld als einen zusammenhängenden Organismus. Schon die Römer hätten in ihren Weinbergen auf das Zusammenspiel von Mensch, Pflanze und Tier mit den Faktoren Boden, Wasser und Luft gesetzt. Denn so entsteht ein stabiles Ökosystem mit einer hohen Artenvielfalt, in dem Pestizide und Herbizide unnötig sind und das sich positiv auf den gesamten Boden-Wasser-Haushalt auswirkt. Auf das niederbayerische Solarfeld übertragen heißt das: Streuobstwiesen, Hecken, Feuchtgebiete, Nistkästen, Trockenmauern und ein Weiher rahmen die Solarpaneelen ein. Mit diesen Biotopstrukturen entsteht eine Doppelnutzung der Fläche: einerseits für die Artenvielfalt und andererseits für die Energieproduktion.

Das Solarfeld lebt
Der Plan ging auf. Die Anlage produziert Strom für 350 Haushalte und die erhoffte Artenvielfalt hat sich ziemlich schnell eingestellt. 189 Pflanzen- und 286 Tierarten sind nachgewiesen, darunter 44 Vogelarten, 14 Wildbienenarten, 73 Spinnenarten und 143 Schmetterlingsarten. Auch haben sich der Grundwasserspiegel und die Wasserqualität im Weiher nach kurzer Zeit deutlich verbessert. Andreas Engl hat sich ein Netzwerk von Experten aufgebaut, die regelmäßig nachschauen, wie sich die Arten entwickeln. Das Solarfeld ist nun ein Trittsteinbiotop, das andere Biotopflächen in der intensiv landwirtschaftlich genutzten Umgebung verbindet.

Power für nachhaltige Energie
„Wir brauchen diese Trittsteinbiotope zur Stärkung der Artenvielfalt und können sie durch die erneuerbaren Energien mit wirtschaftlicher Nutzung kombinieren“, davon ist Andreas Engl überzeugt. Mittlerweile hat er auch noch seinen Master in Energiemanagement gemacht und 2014 die Erzeugergemeinschaft für Energie in Bayern gegründet. Denn er will die Energiewende mit einer ökologischen, regenerativen Energieerzeugung weiter vorantreiben. Deshalb hat er 2015 auch gleich noch die „Regionalwerke“ gegründet, die den nachhaltig produzierten Strom zum Verbraucher bringen. Derzeit entwickelt er gemeinsam mit der Hochschule Weihenstephan ein Umweltaudit für die Mitglieder der Erzeugergemeinschaft. Damit will er Rahmenbedingungen für die ökologische und nachhaltige Energieproduktion schaffen. Anlagenspezifisch sollen diese ausgelegt sein, also auf die Leitarten, die im Arten- und Biotopschutzprogramm im jeweiligen Umfeld der Anlagenflächen festgelegt sind. Und das nicht nur für Solaranlagen. „Regenerative Nutzung kann nachhaltig sein, nicht nur beim Solarstrom, sondern auch bei Biogas“, sagt Andreas Engl. Mit so viel Power und Know-how nimmt er auch an einem Forschungsprojekt des Bundeswirtschaftsministeriums zur Entwicklung einer ökologisch und ökonomisch, nachhaltigen Energiewelt teil.

Alle mitnehmen
„Für die Gesellschaft entsteht ein Mehrwert“, sagt Andreas Engl, deshalb ist es ihm auch wichtig, die Bevölkerung, und vor allem die künftigen Generationen in seine Projekte mit einzubeziehen. Zwar hat er die meisten Biotopstrukturen auf seinem Solarfeld alleine und ohne Fördermittel angelegt. Doch die Nistkästen und Insektenhotels haben die Mittel- und Förderschule aus der Umgebung gebaut, die Bund Naturschutz-Kindergruppe Binatal hat Greifvogel-Sitzstangen aufgestellt und im Ferienprogramm erfahren Kinder, was Artenvielfalt bedeutet. Die BN-Ortsgruppe mäht die Wiese, Schäfer und Pferdewirt nutzen die Fläche und in Exkursionen und Führungen vermittelt Andreas Engl und sein Experten-Netzwerk regelmäßig den Wert dieser Vielfalt. Ganz schön viel Power ist da nötig für die Energie. Aber irgendwoher scheint Andreas Engl mehr als andere davon zu bekommen. Ach ja, auch der bayerische Wirtschaftsminister hat kürzlich bei ihm angerufen und wollte mehr über seine Ideen zur Energiewende im Einklang mit der Natur wissen. Gut, dass die Oma damals einverstanden war mit dem Solarfeld.

Link zu den dokumentierten Arten im Solarfeld: https://naturgucker.de/?gebiet=-571583293

Die nächste naturschutzfachliche Exkursion zum Solarfeld Oberndorf findet im Rahmen von BayernTourNatur am 28.07.2019 statt.

Weitere Infos zu Andreas Engl finden Sie auch unter https://www.heimatunternehmen.bayern/projekte/solarfeld-oberndorf

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