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Eine Perle der Biodiversität

Hannesried liegt eingebettet in ein bewegtes Gelände und eine reich strukturierte Landschaft.
Hannesried liegt eingebettet in ein bewegtes Gelände und eine reich strukturierte Landschaft.
© Land:Belebt
Im oberpfälzischen Hannesried darf man sich rühmen, höchsten Ansprüchen gerecht zu werden. Denn Flussperlmuschel und Weißstorch sind recht wählerisch, was ihren Lebensraum angeht. Eine großflächige Auenlandschaft bietet ihnen nun beste Verhältnisse. Doch es gibt noch viele andere Gründe, warum hier ein Vorzeigeprojekt für die Biodiversität entstanden ist.

Flussperlmuscheln gelten als Diven und lassen sich nur dort dauerhaft nieder, wo es ihnen absolut genehm und das Ökosystem intakt ist. Nur in klarem, kühlem, kalkarmem und sauerstoffreichem Wasser und strukturierten Fließgewässern kann sie überleben und sich vermehren. Dass sich ihre Population in den angrenzenden Gewässern bei Hannesried stabilisiert hat, ist die Folge einer umsichtigen Bodenordnung. In dem kleinen Ort mit rund einhundert Einwohnern im Landkreis Cham gelang es, in der Flurneuordnung insgesamt über zwanzig Hektar ökologische Flächen auszuweisen. „Dabei hätte ich es anfangs nicht für möglich gehalten, dass wir so viel für den Naturschutz machen können“, sagt Georg Schamberger vom Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Oberpfalz. Kleine Flurstücke, ertragsschwache Äcker und eine bewegte Topografie der intensiv bewirtschafteten Landschaft machten das Flurneuordnungsverfahren zur Herausforderung.

Es läuft wieder nass rein
Da waren zunächst die Auen. Zwar gab es schon einen minimalen Flussperlmuschelbestand, doch es gab auch eine intensive Grünlandwirtschaft, die eine optimale Wasserqualität zunächst schwierig machte. Was es aber auch gab, waren aufgeschlossene Grundstücksbesitzer und den Wunsch des Landesbundes für Vogelschutz (LBV), ein großflächiges Auengebiet am Markbach zu schaffen. Georg Schamberger freut sich, dass es ziemlich unkompliziert gelungen ist, dort eine zusammenhängende Auenlandschaft von acht Hektar für den LBV zu schaffen. Uferschutzflächen und extensives Grünland haben die Tier- und Pflanzenvielfalt deutlich erhöht. Alte Drainagen wurden verschlossen, damit die Flächen wieder vernässen. Wechsel- und dauerfeuchte Mulden schaffen nun strukturreiche, auentypische Feuchtgebiete. Jetzt finden Weißstörche dort einen reich gedeckten Tisch und die Wasserqualität genügt den hohen Ansprüchen der Flussperlmuschel.

Schwergewichtige Landschaftspflege
Wer den neuen Rundwanderweg durch die idyllischen Auen geht, sieht das ganze Jahr über vierbeinige Landschaftspfleger auf einer extensiven Gründlandweide am Werk. „Heckrinder“, eine Rückzüchtung des Auerochsen, grasen dort sommers wie winters und fördern damit aktiv die Artenvielfalt. Denn zum einen fressen sie selektiv, lassen also überall Inseln stehen, und zum anderen sorgen sie für offene Trittstellen. Das schafft ein Mosaik an neuen Lebensräumen für seltene Tier- und Pflanzenarten. Beliebte Beobachtungsobjekte sind die Tiere auch, der Wanderweg führt rund um die Weide, und von einem erhöhten Sitzplatz aus sind sie ein beeindruckender Anblick mit ihren großen Hörnern und ihrem urtypischen Körperbau.
Zwar bringen die Tiere weniger Fleischertrag, doch der Besitzer Michael Ferstl nimmt dies gerne in Kauf nimmt. Die Nachfrage nach Heckrindfleisch beim örtlichen Metzger ist groß. Biologische Vielfalt kann also auch ganz konkrete Wertschöpfungen auslösen.

Gräben aufreißen für Biotope
Wichtige Bausteine waren für Georg Schamberger die Wegseitengräben, die beim Ausbau fast aller Wirtschaftswege entstanden sind. Statt technisch geformter „Trapezgräben“ sind dies naturnahe Gräben mit mindestens vier, oft auch fünf bis sechs Metern Breite. Darin bremsen Verbauungen die Fließgeschwindigkeit des Wassers und stauen es an. So werden Sedimente nicht in Flüsse und Bäche ausgespült. Außerdem halten naturnahe Rückhaltebereiche das Wasser in der Fläche, was dann wieder zur Grundwasserneubildung beiträgt. Die Begrünung stellt sich ganz von alleine ein. Damit ist in der Hannesrieder Flur ein weitläufiges grünes Ökoband entstanden, das sich durch die ganze Landschaft zieht und Biotope verbindet. „Und im Gegensatz zu den herkömmlichen Gräben ist der Pflegeaufwand sogar geringer“, davon ist Georg Schamberger überzeugt.

Fledermäuse, Auerochsen und Insekten
Manchmal werden aus unscheinbaren Relikten wertvolle Refugien. Der alte Erdkeller am Ortsrand? Am besten abreißen, dachte man zunächst. Doch Peter Maempel vom Bund Naturschutz und Bürger von Hannesried wusste von Fledermausvorkommen in der Nähe. Was lag also näher, als aus dem ehemaligen Rübenlager ein Quartier für Fledermäuse zu machen, zumal das Gewölbe aus Granitsteinen laut LBV ideal dafür geeignet war? Damit wurde der alte Rübenkeller zu einem weiteren Baustein für die biologische Vielfalt. Den können Bürger und Wanderer nun bewundern, eine Infotafel gibt Auskunft über Fledermäuse und die neu gestaltete Umgebung des Kellers lädt dazu ein, das idyllische Plätzchen zu genießen. Solche Plätze gibt es übrigens viele in Hannesried, deshalb war es allen Beteiligten wichtig, überall dort Sitzbänke aufzustellen, wo sich der Blick in die Umgebung und die strukturreiche Landschaft am schönsten genießen lässt. An besonders exponierten Stellen haben sogar rund zwanzig Hannesriedener Kinder einen Beitrag zur Flurneuordnung eingebracht. Gemeinsam mit Peter Maempel und mit finanzieller Unterstützung vom ALE bauten sie zahlreiche kleine und sechs große Insektenhotels, die nun entlang der Wirtschaftswege stehen. Das fördert nicht nur die Insektenvielfalt, sondern ganz besonders die Verbundenheit der Kinder mit ihrer Landschaft.

Zupackende Hannesriedener
So strukturreich die Landschaft ist, so wichtig war es, die Hecken, „Ranken“, also Geländestufen und Streuobstwiesen auszudehnen und zu vernetzen. „Unser Pflanzmeister Josef Reger ist ein Unikum“, sagt Georg Schamberger, „er hat unermüdlich gegossen, geschnitten und gepflegt, auch nach Abschluss der Maßnahmen. Dank ihm gab es kaum Ausfälle bei den Pflanzungen. Solche Leute braucht man.“ Und auch bei der Aktion „Mehr Grün durch Ländliche Entwicklung“ im Jahr 2010 griffen die Hannesriedener so beherzt bei Heckenpflanzen und Obstbäumen zu, dass es im folgenden Jahr eine Neuauflage der Pflanzaktion für Privatgrundstücke gab. Die Summe all dieser Maßnahmen hat die biologische Vielfalt in der Hannesriedener Flur enorm gefördert. Eine wahre Perle der Biodiversität ist dort entstanden. Da ist es vielleicht zu verschmerzen, dass nur jede tausendste Muschel tatsächlich eine echte Perle birgt.

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