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Mit Blick auf‘s Moor

Das Kematsriedmoos liegt im Talboden von Oberjoch. Moos steht im Bayerischen häufig für Moor. Foto: Martin Muth
Das Kematsriedmoos liegt im Talboden von Oberjoch. Moos steht im Bayerischen häufig für Moor. Foto: Martin Muth
© Land:Belebt
Es braucht schon viel Fingerspitzengefühl dafür, einem Hochmoor die natürlichen Strukturen zurückzugeben. Im Kematsriedmoos im Allgäu haben behutsame und überlegte Pflegemaßnahmen ziemlich schnell die erhofften Erfolge gebracht. Seitdem sind die Aussichten deutlich besser – auch für Besucher, die jetzt Ein- und Ausblicke in die faszinierende Moorlandschaft haben.

Zehn Meter in zehntausend Jahren. In diesem Tempo baut sich im Moor eine Torfschicht aus abgestorbenen Pflanzenresten auf. Im nassen Moorgrund wachsen Moose zwar in die Höhe, im sauerstoffarmen Untergrund zersetzen sich ihre Reste aber nicht. So sammelt sich das Pflanzenmaterial langsam aber stetig als Torf an und das Moor wächst: Pro Jahr um circa einen Millimeter. Doch seit die Allgäuer Moore am Ende der letzten Eiszeit entstanden sind, haben sie nicht nur Zuwachs erlebt. Mitte des 19. Jahrhunderts begann die systematische Nutzung der Moore, sie wurden parzelliert und mit einem dichten Netz von Gräben entwässert, um den Torf als wertvolles Heizmaterial abbauen und die Flächen landwirtschaftlich nutzen zu können. So auch das Kematsriedmoos bei Oberjoch im Landkreis Oberallgäu – mit einschneidenden Folgen: Der komplexe Wasserhaushalt des Moores war tiefgreifend verändert. Bäume und Sträucher hatten sich zu weit ausgebreitet und entzogen dem Moor die Feuchtigkeit. Damit waren Pflanzengesellschaften, die auf das feuchte, nährstoffarme und saure Milieu der Moore spezialisiert sind, auf dem Rückzug. Doch mit einem umfassenden Pflege- und Entwicklungskonzept gelang es dem Amt für Ländliche Entwicklung Schwaben, dem zwanzig Hektar großen Hochmoor seine Vielfalt an besonderen Lebensräumen in vielen Teilen zurückzugeben.

Moor braucht Spezialisten
Bagger oder Handarbeit? Im Kematsriedmoos hat man diese Fragen sehr gründlich diskutiert. Denn was bei anderen Pflegemaßnahmen selbstverständlich ist, muss bei Arbeiten im Moor schon sehr genau abgewogen werden, schließlich ist der über Jahrtausende gewachsene Moorboden die Basis für ein sensibles Ökosystem. Bevor die ersten Pflegemaßnahmen 2009 mit Unterjocher Landwirten begannen, lud das Amt und der beauftragte Biologe Martin Muth deshalb zu einer Expertenrunde mit ausgewiesenen Moorspezialisten ein, berichtet Friedrich Rampp vom Amt für Ländliche Entwicklung Schwaben. Man wollte alles richtig machen, denn wer sich mit Mooren beschäftigt, muss in langen Zeiträumen denken. „Eine gute Entscheidung“, sagt der Projektleiter, „diese anerkannte fachliche Begleitung hat die Akzeptanz der Maßnahmen bei allen Beteiligten gefördert“.

Behutsam ans Werk
Das Maßnahmenpaket war sorgfältig und äußerst differenziert geschnürt. „Entbuschung“ und „Vernässung“ standen dabei an vorderster Stelle, damit die Vielfalt der moortypischen Flora und Fauna wieder neue Chancen bekam. Ein Teil des Fichtenbestandes im Kernbereich, der dem Moor die Feuchtigkeit entzieht, wurde gerodet. Latschenbeständen, die sich zu weit ausgedehnt hatten, rückte die Jugendgruppe des Deutschen Alpenvereins zu Leibe. Und um die Moorflächen wieder zu vernässen, wurde das Grabensystem gezielt angestaut, Feuchtbiotope geschaffen und kleine Teiche angelegt. „Wir sind sehr behutsam vorgegangen, es gab keinen Kahlschlag, sondern wir haben größere Bereiche weiter vergrößert“, sagt Friedrich Rampp, „und die Experten waren sich einig, dass wir mit kleineren Maschinen im Moor arbeiten können. Das war auch für den Bund Naturschutz in Ordnung, dem im Ostteil 6,5 Hektar der Fläche gehören und der die Pflegemaßnahmen dort durchgeführt hat“, berichtet der Projektleiter.

Schwingende Pflanzenteppiche
Die Sorgfalt zahlt sich aus: Über zwanzig Libellenarten, darunter die Hochmoor-Mosaikjungfer und die Alpen-Smaragdlibelle sowie drei Amphibienarten fühlen sich in den Weihern, Tümpeln, den angestauten Gräben und in Schlenken - den typischen seichten Vertiefungen im Moor - wohl. Acht Heuschreckenarten und über dreißig Tagfalterarten finden in den blütenreichen Wiesen beste Bedingungen. Hochmoorheide, Rasenbinsenmoor und Latschenfilz bieten eine Vielfalt an besonderen Lebensräumen für Pflanzenspezialisten in der nährstoffarmen Hochmoorlandschaft. In den ehemaligen Torfstichen und an den Rändern des Moores dürfen sich lichte Moorwälder und Seggenriede ausdehnen. Mancherorts ist richtig Schwung drin, denn über verlandeten Wasserflächen breitet sich Schwingrasen aus – ein schwingender Teppich aus miteinander verwobenen Moosen und Pflanzen, der auf Sumpf oder Wasser treibt.

Besucher gezielt führen
Moore sind anziehend, erst recht in solch touristisch geprägten Gegenden wie in Oberjoch. Deshalb war es auch ein Anliegen, die Besucher gezielt und mit fundierten Informationen durch die sensible Moorlandschaft zu lenken. Die Landwirte entrümpelten den alten, gekiesten Wanderweg und bauten einen neuen Weg aus Hackschnitzeln und Stege aus Holzbohlen. Das Material dafür gab es mit den gerodeten Gehölzen aus dem Moor gleich vor Ort. Außerdem entstand ein kleiner Aussichtsturm, der einen guten Überblick über das Gelände bietet. Damit die Gäste Sonnentau, Rosmarinheide, Rauschbeeren und die vielen Vogel- Lurch- und Insektenarten im Moor bewusst und mit Respekt erleben können, gehörten auch Informationstafeln zum Konzept, die nun auf die Besonderheiten im Kematsriedmoos aufmerksam machen. Und weil die gesamten Rodungsmaßnahmen gezielt und mit Weitblick durchgeführt wurden, öffnen sich entlang des Weges immer wieder tolle Blickachsen über das Moor und auf die beeindruckende Bergkulisse, die sich dahinter auftut.

Die weiteren Aussichten
Und wie sind die Aussichten für das Moor? „Mit viel Engagement und mit großer Behutsamkeit wurde begonnen, das degenerierte Moor wieder zu beleben und ein wenig näher an seinen ursprünglichen Zustand zu bringen“, berichtet Friedrich Rampp, „aber für die Zukunft bleibt noch Spielraum, das Moor dauerhaft und nachhaltig mit weiteren Maßnahmen zu regenerieren“.

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