Wenn Andreas Kaindl über seine Obstbaumwiese durch das hohe Gras spaziert, genießt er nicht nur die schöne Landschaft der südlichen Hallertau. Stets hat er seine Streuobststämme im Blick: hier ein Ast zu viel, dort vielleicht ein Schädling, die Birnen sind auch erntereif und je nach Jahreszeit sind Nistkästen zu reinigen und anzubringen, Wildverbiss bei Jungbäumen kontrollieren, Wühlmauskontrolle … die Gründe, warum er bei seinen Streuobstbeständen eingreifen muss, sind vielfältig.
Das erfordere schon spezielleres Wissen und Erfahrung, erklärt Andreas Kaindl seinen Besuchern vom Amt für Ländliche Entwicklung im Dörfchen Brandloh bei Attenkirchen (Landkreis Freising). Deshalb hat er 2019 bei der Deutenkofener Baumwarte e.V. eine Fortbildung zum Baumwart absolviert. Einiges habe er aber auch von seiner Familie gelernt, von der er die Streuobstwiese übernommen hat. Seit vier Generationen gehört sie zum Besitz der Kaindls: „Meine Urgroßeltern haben das ,Kramer Anwesen’ 1890 übernommen und so alt dürfte auch der älteste Birnbaum auf der Hofstelle sein“. Die Landwirtschaft und damit auch die Obstbäume gehören zu seinen Kindheitserinnerungen. Wohl kein Zufall, dass er sich zum Gärtner ausbilden ließ und heute als Techniker im Garten- und Landschaftsbau tätig ist. Zu seinen Aufgaben als Bauleiter gehört auch die Schaffung von Ausgleichsflächen wie Streuobstwiesen. Hier schließe sich der Kreis zu seiner zweiten beruflichen Tätigkeit als Nebenerwerbslandwirt.
Der Feierabend gehört dem Streuobst
Die Feierabende verbringt Andreas
Kaindl oft mit der Pflege seiner Streuobstwiese. Dann ist er mit Astschere und
Säge unterwegs und rückt überflüssigem Bewuchs zu Leibe. „Die regelmäßige
Baumpflege, besonders der Beschnitt sind wichtig, um langlebige und
ertragreiche Hochstämme kultivieren zu können“, sagt Andreas Kaindl. Dabei
müsse man beim Beschnitt zwischen Jung-, Ertrags- oder Altbaum unterscheiden.
Das Kronengerüst sollte sich immer im Gleichgewicht befinden, etwa durch das
Entfernen von kahlen und abgestorbenen Ästen. Standard ist der sogenannte
Oeschbergschnitt. Eine schweizerische Methode zur Erziehung von Hoch- und
Halbstämmen, so Andreas Kaindl. Im Laufe der Jahre habe er allerdings sein
eigenes Verfahren entwickelt, das gut funktioniere. Anfangs habe er bei einigen
Bäumen zu viel weggeschnitten. Um solche Fehler bei der Baumpflege
auszugleichen, brauche es oft Jahre. Aber daraus lernen wir auch, ist der
Obstbauer überzeugt.
Ponys halten die Wiese kurz
Zur Pflege der Streuobstwiesen zählt
auch das regelmäßige Mähen. Andreas Kaindl mäht im Frühjahr und im Herbst mit
einem Einachser Mulcher und einem Kreiselmähwerk. Das Gras wird als Heu verwendet.
Ansonsten lässt er die Ponys seiner Schwägerin auf der Wiese weiden. „Die
kleinen Tiere eignen sich gut dafür, weil sie die Böden nicht verdichten“, sagt
Andreas Kaindl. „Die Beweidung ist überhaupt eine natürliche Methode der
Wiesenpflege“. So habe er vor einigen Jahren die 900 Schafe eines
Wanderschäfers auf der Wiese grasen lassen. In weniger als vier Stunde war sie
leer gegrast, berichtet Andreas Kaindl. Zudem liefern die Tiere Naturdünger,
wobei die Obstwiese ohnehin sehr fett bzw. nährstoffreich ist.
Eigene Veredlung
Um die Obstgehölze sortenrein
nachziehen zu können, veredelt Andreas Kaindl sein Pflanzenmaterial selbst.
Dabei wird ein Auge oder ein Trieb von der gewünschten Sorte mit der
gewünschten Unterlage verbunden, wie zum Beispiel dem Bittenfelder Sämling. Normalerweise
bilden die drei bis vier Leitäste mit dem Mitteltrieb das Grundgerüst der
Krone. Daraus entstehen die Fruchtäste mit dem Fruchtholz. An der Veredelungsstelle
ist die Unterlage mit der Edelsorte verwachsen, so Andreas Kaindl.
Die Sämlingsunterlage definiert die Höhe und Wüchsigkeit der Pflanze sowie die Standfestigkeit, die veredelte Sorte gibt die Blüten-, Blatt- und Fruchteigenschaften vor. Zudem sollte eine Sorte gewählt werden, die sich am Standort am besten bewährt hat, rät der Experte.
Ohne
Handarbeit geht es nicht
Andreas Kaindl pflanzt bevorzugt alte
Apfel- und Birnensorten, Quitten und Walnüsse. Stolz zeigt er auf einen fast
zehn Meter hohen Birnbaum, der eine üppige Ernte verspricht. „Da hängen
bestimmt 500 Kilogramm Birnen dran“, freut sich Andreas Kaindl. Ein
willkommener Ertrag in einem Jahr, das wegen Hitze und Stürme nicht gerade als
Obstjahr gilt. Die Ernte der Sorte „Gräfin Von Paris“ wird - wie jedes andere
Streuobst - in der hofeigenen Destille zu Obstbrand verarbeitet. Dabei mischt
er Äpfel, Birnen und Quitten, weil sich eine sortenreine Verarbeitung wegen des
geringen Ertrags nicht lohnt. Sein Liebling auf der Streuobstwiese ist ein
Mispelbaum. „Die Früchte sind zur Ernte im Dezember weniger ansehnlich,
entwickeln aber bei der Verarbeitung einen marzipanartigen Geschmack“, schwärmt
der Obstbauer. „Gerade richtig zu Weihnachten“, lacht er. Geerntet werden die
Mispeln mit einem Olivennetz. Alles andere Streuobst wird mit einem
Seilschüttler am Traktor und einer Obstraupe geerntet. Zudem muss einiges
aufgesammelt und aussortiert werden. Ganz ohne Handarbeit geht es nicht.
Edeldestillat
aus Mischobst
Von allen Verwertungsmöglichkeiten hat
sich Andreas Kaindl für das Destillieren entschieden. Nicht nur aus Tradition,
sondern auch wegen seiner kultivierten Sorten und des begrenzten Ertrags, wie
er sagt. Dafür hat er sich auf seinem Anwesen eine kleine Obstbrennerei gebaut.
„Bis man allerdings von einem hochwertigen Destillat sprechen kann, braucht es
etwas Zeit“, sagt Andreas Kaindl. Denn die einzelnen Schritte bis zum
Endprodukt bräuchten Geduld und Erfahrung. Das beginne schon beim Ansetzen der
Maische. „Aber auch die schonende Gärung bei nicht zu hohen Temperaturen und
die richtige Brenngeschwindigkeit sind wichtig, damit ein Aromaverlust
vermieden wird.“
Wertschätzung
für Streuobstwiesen
Rein wirtschaftlich betrachtet lohne
sich bei der Größe seiner Wiese eine kommerzielle Verwertung nicht. Ihm gehe es
aber vor allem um die Wertschätzung für den Streuobstanbau. Wer einmal über
eine blühende Obstbaumwiese spaziert ist, mit seinen prallen Knospen, summenden
Insekten, zwitschernden Vögeln, Schmetterlingen und anderem Getier, dem wird
auch die ökologische Bedeutung solcher Wiesen bewusst. Auch die Ernte
wohlschmeckender Früchte, aus denen wundervollen Produkte entstehen, machen die
Streuobstwiesen so wertvoll, ist Andreas Kaindl überzeugt. Abgesehen von seiner
Bedeutung für die Kulturlandschaft und Diversität, sollte man aber bei der
Anschaffung von Obstbäumen auch über die Verwertung nachdenken.