Hinter dem Glauben, nur exotische Superfoods bringen gesundheitsfördernde Wirkung, steckt oft auch Unsicherheit und Unkenntnis über Nähr- und Inhaltsstoffe heimischer Lebensmittel. Tatsächlich gibt es in (Ober-)Bayern viele Produkte, die es mit dem Nährstoffprofil der importierten Superfoods leicht aufnehmen können. Zudem sind Nährwertanalysen bei exotischen Superfoods im Gegensatz zu heimischen Lebensmitteln häufig lückenhaft und stammen in der Regel von kommerziellen Anbietern. Viele regionale Erzeugnisse, wie etwa Walnüsse, Haselnüsse, Holunder, Hagebutte, Erdbeeren, Schwarze Johannisbeeren, Grünkohl oder Linsen, aber auch Leinsamen oder Dinkel werden - teilweise in Bioqualität - direkt in unserer Nähe angeboten. Informationen über Herkunft, Nachhaltigkeit, CO2-Fußabdruck, Rückstände, Transportwege sind oft transparenter und die Ware frischer, weil vor Ort produziert. Dass es zu den exotischen Superfoods vergleichbare regionale Produkte gibt, zeigen Beispiele aus Neubeuern im Inntal und dem Rupertiwinkel im Landkreis Berchtesgadener Land.
Die Königin der Nüsse
Neben Beeren und Haferflocken fürs Müsli sind Walnüsse ein beliebtes heimisches Superfood. Auch wenn 2023 mit rund 40.000 Tonnen pro Jahr die meisten Walnüsse importiert wurden, gibt es noch einige regionale Anbieter, wie z.B. Familie Heiß im Neubeurer Ortsteil Freibichl. Am elterlichen Hof entstand 2018 eine Walnusswiese mit 500 Bäumen im Ökolandbau. Daraus schufen die drei Geschwister Korbinian, Waltraud und Theresia mit ihren Ehepartnern ein erfolgreiches Unternehmen (www.inntalnuss.de). Neben dem Hauptprodukt Walnussöl aus der eigenen Ölmühle entwickelten sich im Laufe der Jahre weitere Produkte wie Pesto, Mus, Mehl, Tee oder Schokovariationen. Vermarktet werden die Spezialitäten aus Walnüssen im eigenen Hofladen, auf Märkten in der Umgebung und über den eigenen Online-Shop. „Damit die Walnüsse effizient weiterverarbeitet werden können, mussten wir neben einer Ölmühle 2022 eine Walnuss-Knackanlage anschaffen“, erklärt Korbinian Heiß. „Die Öko-Modellregion Hochries-Kampenwand-Wendelstein hat uns dabei finanziell unterstützt.“
Durch die gestiegene Nachfrage nach Bio-Walnüssen in Bayern und dadurch, dass Nüsse bei der Ernährung eine immer größere Rolle spielen werden, sieht der Bio-Landwirt der zukünftigen Entwicklung des Betriebs positiv entgegen. Das „Walnusswerk“ als Broterwerb ist allerdings nicht der einzige Grund, warum sich Korbinian Heiß und seine Schwestern für den gewerbsmäßigen Anbau der Walnuss entschieden haben. „Wir möchten die inzwischen in Bayern und Deutschland seltener gewordene Walnuss wieder aktivieren, das Bewusstsein für diesen wunderbaren Baum mit seinem Holz und seinen Früchten wieder schärfen“, so Heiß. Nicht nur die Vielfältigkeit der Frucht sei faszinierend, herausragend seien auch ihre gesundheitsfördernden Eigenschaften: Walnüsse enthalten u.a. viele einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren (Omega 6 und 3), Vitamine E und B. Das Walnussöl gilt zudem blutdruckregulierend und cholesterinsenkend. Darüber hinaus soll die Walnuss die Gedächtnisleistung positiv beeinflussen und Demenz vorbeugen. Kulinarisch passe die Nuss zu süßen als auch zu herben Speisen, sagt Korbinian Heiß. Sie sei gut haltbar und könne lange gelagert werden.
Was den Anbau betrifft, ist der Walnussbaum zumindest bei der Bodenbeschaffenheit anspruchsvoll, so die Erfahrung von Korbinian Heiß. Das Gehölz bevorzuge einen trockenen, durchlässigen Boden und ein mildes Klima. Daher müsse die Auswahl der Sorten sorgfältig sein. Außerdem sei das Holz des Baumes ein beliebtes Edelholz für die Möbelfertigung. Wegen all dieser Eigenschaft ist für ihn die Walnuss nicht nur ein heimisches Superfood, sondern die Königin der Nüsse.
Leinsamen vom Waginger See
Franz Obermeyer befasst sich seit vielen Jahren mit dem Anbau gesunder Lebensmittel, lange bevor der Begriff Superfood bekannt wurde. Der Landwirt aus Tengling am Waginger See übernahm 1990 den Schröckenbauerhof seiner Eltern und stellte ihn ein Jahr später auf biologisch-dynamische Wirtschaftsweise nach Demeter-Richtlinien um. Viele seiner Produkte werden über Partner wie Bio- und Hofläden oder direkt ab Hof vermarktet. Dazu gehören beispielsweise Lichtkornroggen, schwarze Beluga Linsen, Purpurweizen, Emmer, Einkorn, Buchweizen, Senf, Braunhirse, Gerste, Hafer und Dinkel – allesamt samenfeste alte Sorten in biodynamischer Qualität.
Seit 1991 hat Franz Obermeyer sein Anbauprogramm ständig erweitert, um auch Leinsamen anzubauen. Dabei legt er nicht nur Wert auf Wirtschaftlichkeit, sondern auch auf den Erhalt der Sortenvielfalt – ein wichtiger Teil seiner Philosophie als Biobauer. Flachs, aus dem der Leinsamen gewonnen wird, gilt als schwierig anzubauen und ist nicht besonders profitabel. „Als ich erzählte, dass ich Leinsamen anbauen möchte, winkten viele ab“, erinnert sich Franz Obermeyer. Der Anbau mache nur Ärger und man spreche nicht umsonst von der Reuefrucht, waren die Reaktionen. Trotz der komplexen Herausforderungen wie Witterungseinflüsse, schwierige Erntetechniken und Unkrautbekämpfung, hat er an seinem Vorhaben festgehalten. Nicht nur wegen der positiven Eigenschaften der Ölsaat, sondern auch wegen ihrer Bedeutung für die biologische Vielfalt.
Leinsamen als gleichwertige Alternative
Wie das Superfood Chiasamen ist Leinsamen eine Ölsaat. „Als ganze Körner, geschrotet, frisch gemahlen oder zu Leinöl verarbeitet – Leinsamen sind vielseitig einsetzbar“, erklärt Obermeyer. Geschrotete Leinsamen eignen sich besonders gut für Backwaren, Müslis, Smoothies, Suppen, Salate und Tee zur Verdauung. Das aus Leinsamen gewonnene hochwertige Leinöl wird in der Chiemgauer Ölmühle und einigen privaten Ölmühlen gepresst. Es ist ideal als Dressing für Salate oder zur Verfeinerung von Quark. Das besondere an Leinsamen sei vor allem auch der hohe Anteil an alpha-Linolensäure, die zu den Omega-3-Fettsäuren zählt. Mit einem besonders hohen Anteil von 55 Prozent werden dem Öl und der Saat entzündungshemmende und blutdrucksenkende Wirkungen zugesprochen und es soll gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen. Damit kann man Leinsamen tatsächlich als heimisches Superfood bezeichnen. Bedenken hinsichtlich der im Leinsamen enthaltenen Blausäure (cyanogene Glucoside) brauche man keine zu haben, sagt Franz Obermeyer, sofern man pro Mahlzeit nicht mehr als 2 Esslöffel (15 Gramm) rohen Leinsamen verzehre. Beim Erhitzen verflüchtige sich die Säure ohnehin.
Dinkelgetreide mit Gehalt
Simon Angerpointner senior, Landwirt aus Taching am See, betreibt Grünlandwirtschaft und baut neben Hafer, Roggen und Weizen auch Dinkel nach den Richtlinien des Biokreises Ostbayern an. „Mit der aufkommenden Biobewegung wurde wieder mehr Dinkelgetreide nachgefragt“, erinnert sich der 69-Jährige. „Ich habe mich wegen der besonders guten Eigenschaften 1987 für den Anbau des langhalmigen Oberkulmer Rotkorns entschieden“. Tatsächlich ist Dinkel mit seinem hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren, essenziellen Aminosäuren, Vitaminen B1, B2, B3 und B6 sowie den Spurenelemente Zink, Kupfer, Eisen, Mangan mit den bekannten Wirkungen ein wahres Superfood. Das nährstoffreiche, aromatische und vielseitig einsetzbar Getreide hat außerdem einen sehr hohen Eiweiß-, Kalium- und Eisengehalt. Das Getreide hat zudem einen geringen Weizenanteil und einen sehr hohen Feuchtklebergehalt. Im Allgemeinen gelten Backwaren aus Dinkel auch als verträglicher im Vergleich zu den Produkten aus üblichem Weizen, so die Erfahrung von Simon Angerpointner. Abgesehen von den vielen positiven Nähr- und Inhaltsstoffen sei das Ertragspotenzial bei Oberkulmer Rotkorn allerdings niedriger als bei modernen Dinkel-Weizen-Kreuzungen, räumt Simon Angerpointner ein. Durch die Hülsen, die das Korn fest umschließen, ist das Getreide aber auch widerstandsfähiger bei Krankheiten. Außerdem besitze diese Dinkelsorte eine höhere Frost- und Dürrebeständigkeit.
Laufer Landweizen neu entdeckt
Neben Dinkel baut Simon Angerpointner saisonweise noch den Laufer Landweizen „im kleinen Stil“ an. Das sei eine Erinnerung an unseren Altlandkreis Laufen und bloß zur Gaudi, sagt der Landwirt. „Dieser Winterweizen ist eine alte Sorte, die in der Grenzregion des ehemaligen Fürsterzbistums Salzburg bis 1950 angebaut und inzwischen wieder neu entdeckt wurde“, erklärt Angerpointner. Weil dieser Weizen als unverzüchtet gilt, habe er seine guten ursprünglichen Eigenschaften erhalten. Er sei reicher an Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen als so manche modernen Züchtungen, zudem sei er besser verträglich.
Landwirtschaftlich betrachtet gilt der Landweizen als robust, anpassungsfähig und resistent gegenüber vielen Krankheiten. Obwohl Simon Angerpointner von der Sorte schwärmt, sieht er auch Nachteile etwa auch beim Ertrag, der niedriger sei als bei modernen Dinkel-Weizen-Kreuzungen. Durch seine Höhe von 1,40 Meter knicke der an sich windstabile Weizen bei Sturm leichter um. Andererseits verhindere auch die Wuchshöhe Krankheiten, denn die kämen zumeist aus dem Boden, so Simon Angerpointner. Beim Thema Boden ist der Landwirt überzeugt, dass sich die Pflanze alle wichtigen Nährstoffe aus einem natürlichen, ungedüngten Boden ziehe, die sie für ein gesundes Wachstum brauche. Diesen natürlichen Kreislauf sollten wir nicht etwa durch den massiven Einsatz von Kunstdünger durchbrechen. „Schon unsere Mutter hat im Garten nur mit Kompost gearbeitet“, erzählt Simon Angerpointner. „Sie hat nicht einmal Blaukorn verwendet. Das hat mich geprägt.“
Fazit
Wer etwas recherchiert, wird schnell fündig, wo überall bayerisches Superfood erhältlich ist. Heimische Produkte gibt es in einer erstaunlichen Vielfalt und sie bieten alle Nährstoffe, die für eine ausgewogene und gesunde Ernährung wichtig sind. Durch die bewusste Auswahl für regionale Lebensmittel nutzen wir Ressourcen besser aus und fördern unsere Gesundheit gemäß dem Motto „regional ist erste Wahl“. Und auch wenn heimisches Obst und Gemüse vielleicht nicht so im Trend ist, sicher ist es nachhaltiger, frischer und mindestens genauso gesund wie exotisches Superfood.