Leuchtturmprojekt, Musterbeispiel, Vorbildfunktion – das sind die Begriffe, mit denen das Dattenhauser Ried heute geadelt wird. Das war nicht immer so, denn durch die jahrhundertelange Nutzung war das Niedermoor fast schon zum Sterben verurteilt. Die Renaturierungsmaßnahmen in der Flurneuordnung haben es aber wiederbelebt. Und wie. Das größte Moor der Schwäbischen Alb ist nun wieder ein Moor, in dem sich innerhalb kurzer Zeit eine enorme Vielfalt an Tieren und Pflanzen eingestellt hat.
Im Dattenhauser Ried holt man sich schnell nasse Füße. Gut so. Man muss sich schon auskennen im Moor und darf auch nur bei vogel- und vegetationskundlichen Führungen hinein in die hochsensiblen Bereiche. Dabei gibt es dann aber einiges zu entdeckten, in diesem Niedermoor haben sich wieder ganz spezielle Pflanzen- und Tierarten angesiedelt, die lange Zeit verschwunden waren. Das war früher anders, denn schon seit dem Mittelalter hatte man viel Mühe darauf verwendet, das Dattenhauser Ried im Landkreis Dillingen trockenzulegen: Gräben durch das Moor zu ziehen, es landwirtschaftlich nutzbar zu machen und den Torf, der sich in winzigen Schritten über Jahrtausende aufgebaut hat, herauszustechen, damit man ihn verheizen konnte. Das hätte fast dazu geführt, dass sich eines der seltenen Moore und größte Feuchtgebiet der gesamten Schwäbischen Alb auflöst und zu etwas ganz anderem wird.
Gräben zumachen
„Mit einer ökologisch orientieren Flurneuordnung gelang es aber, ab 2012 den negativen Prozess zu stoppen“, berichtet Ernst Fischer vom Amt für Ländliche Entwicklung Schwaben. Und dazu gehört nicht nur, die Artenvielfalt zu schützen, sondern auch das Klima. Moore binden nämlich Kohlendioxid und speichern es, doch werden sie trockengelegt, entweichen klimaschädliche Gase in die Atmosphäre. Als erstes Niedermoor wurde deshalb das Dattenhauser Ried in das Klimaschutzprogramm (KLIP) aufgenommen. Für das Renaturierungskonzept holte man sich mit dem Biologen Alois Kapfer einen Spezialisten aus der Gegend. Der plante und leitete die Maßnahmen zur „Wiedervernässung“ von achtzig der über zweihundert Hektar großen Niedermoor-Fläche an. Mit innovativem Ansatz, denn die über fünfzig Gräben, die dafür gesorgt hatten, dass das Wasser aus dem Moor herausfließt, wurden nun mit Spundwänden verschlossen. So staut sich das Wasser in den Gräben auf, fließt dann in die Fläche ab und versickert dort langsam. Die Gräben selbst sind offen geblieben, um dort Stauwasserbereiche für entsprechende Pflanzengesellschaften zu schaffen. Zum Konzept gehörte es auch, mit Tümpeln neue Biotopstrukturen zu entwickeln und Flächen zu „entbuschen“, also Wiesenflächen wieder zu öffnen, die mittlerweile von Bäumen und Sträuchern überwachsen waren. Auch sollten die Pappeln, die vor Jahrzehnten für schnelle Holzerträge aufgeforstet wurden, dem Moor nicht länger Wasser entziehen. „Allerdings haben wir keinen Kahlschlag gemacht“, betont Ernst Fischer, „wir haben die Interessen vom Naturschutz, den Jägern und der Landwirtschaft aufeinander abgestimmt und zum Beispiel viele Hecken stehen gelassen“.
Nässe belebt
Schon im ersten Jahr nach der Maßnahme hat sich die Moorlandschaft grundlegend verändert. Die Kernbereiche waren schon ordentlich nass geworden, die Moose in den Flächen voll Wasser gesogen und die Torfkörper im Untergrund aufgequollen – genau wie erhofft. Pflanzenarten, die nur im Moor mit seinem speziellen knappen Nährstoffangebot existieren können, wie das Schmalblättrige Wollgras, Sumpfvergissmeinnicht und verschiedene Seggen haben sich eingestellt. In die Tümpel und Feuchtgebiete sind Laubfrösche, Kreuzkröten und Gelbbauchunken eingezogen und die Insektenvielfalt hat deutlich zugenommen. Vierzig Brutvogelarten hat der Naturschutzbund Heidenheim mittlerweile nachgewiesen, darunter seltene Gäste, wie Bekassinen, Wasserrallen, Teichhühner, Kiebitze oder Teichrohrsänger. Viele Zugvögel nutzen das Dattenhauser Ried im Frühjahr und Herbst als Rastplatz.
Rinder im Moor
Um die Pflege und weitere Entwicklung des Moores kümmern sich nun der Zweckverband „Renaturierung Dattenhauser Ried“, zu dem die Gemeinden Ziertheim, Bachhagel, Syrgenstein und der Landkreis Dillingen gehören, und der Landschaftspflegeverband „Donautal aktiv“. Bei den entbuschten Wiesenflächen aber setzen sie auf die Hilfe von Vierbeinern. Auf zehn Hektar weiden „Hinterwälder“ – eine alte Rinderrasse mit relativ kleinen Tieren. Sie halten die Gräser kurz und sorgen dafür, dass die offengelegten Flächen auch offen bleiben. Das fördert nämlich die Wiesenbrüter unter den Vogelarten, die genau solche Landschaften brauchen.
Moorschutz bedeutet Gewinn für alle
Im Dattenhauser Ried ist die Rechnung für den ersten Abschnitt also aufgegangen. Die weiteren Bereiche des über zweihundert Hektar großen Moores sollen in absehbarer Zeit ebenfalls renaturiert werden und sowohl zur Förderung der biologischen Vielfalt als auch zum Klimaschutz beitragen. Für Ernst Fischer hat bei dem Projekt aber nicht nur der Naturschutz, sondern auch die Landwirtschaft gewonnen. Denn die Besitzverhältnisse der vielen schmalen Einzelgrundstücke im Moor wurden neu geordnet und es entstanden zusammenhängende Flächen sowohl für die Natur als auch für die Landwirte. Moorschutz ist also auch wirtschaftlich sinnvoll.
Endlich wieder nasse Füße im Moor
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Schwaben
Kontakt
Ansprechpartner:
Amt für Ländliche Entwicklung Schwaben
Ernst Fischer
Dr.-Rothermel-Straße 12
86381 Krumbach (Schwaben)
Telefon +49 8282 92-451
ernst.fischer@ale-schw.bayern.de
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Ernst Fischer
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