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Gute Schule für das Trinkwasser

Letzte Handgriffe noch, dann ist das Insektenhotel der Schüler bezugsfertig
Letzte Handgriffe noch, dann ist das Insektenhotel der Schüler bezugsfertig
© Land:Belebt
Flurneuordnung und pubertierende Schüler sind zwei Welten, die nicht auf Anhieb zusammengehen. Doch im oberfränkischen Mühlendorf gelangen der Ländlichen Entwicklung noch andere Kunststücke. Zum Beispiel, den klassischen Nutzungskonflikt zwischen Landwirtschaft und Trinkwasserschutz so zu lösen, dass daraus sowohl ein Gewinn für die biologische Vielfalt als auch für die Landwirtschaft wurde.

Am Anfang stand das Problem mit dem Trinkwasser. Hohe Nitratwerte in den beiden Brunnen im Mühlendorfer Wasserschutzgebiet, zu viel Nährstoffeintrag aus den Äckern entlang des Flüsschens Aurach, eine Vielzahl an Grundbesitzern und zersplitterte Wirtschaftsflächen machten es der Landwirtschaft und dem Gewässerschutz gleichermaßen schwer. Doch auf der anderen Seite gab es ein Flurneuordnungsverfahren mit einer aufgeschlossenen Bürgerschaft und mit Baudirektor Franz Kamhuber einen leidenschaftlichen Sachgebietsleiter am Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Oberfranken. Das eröffnete Mühlendorf, das zur Gemeinde Stegaurach im Landkreis Bamberg gehört, gleich mehrere Chancen – für die Landwirtschaft, für den Trinkwasserschutz, den Gewässerschutz, den Naturschutz und damit für die Förderung der Biodiversität. Und eine ganze Schulklasse ist nun auch für das Thema sensibilisiert.

Landentwicklung durch Bodenordnung
Mit einer geschickten Bodenordnung gelang es, die vielen Einzelflächen im Mühlendorfer Wasserschutzgebiet aus der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung herauszunehmen und gleichzeitig die Produktionsbedingungen der Landwirte andernorts mit Flächengrößen von durchschnittlich fünf Hektar deutlich zu verbessern. Damit war der Weg frei, eine 25 Hektar große, zusammenhängende Fläche zu extensivieren und zu einem fachlich fundierten Mosaik an Vielfalt-Räumen für den Trinkwasserschutz zu entwickeln.

Vielfalt gewinnt
So entstanden dort verschiedene Flächentypen, die den Artenreichtum von Pflanze und Tier fördern. Uferschutzstreifen, naturnahe Gräben und Feuchtbiotope schaffen Lebensräume am Gewässer. Feldgehölze und Bäume verringern als Pufferstreifen den Nährstoffeintrag aus den Äckern und strukturieren das Wasserschutzgebiet. Ohne Dünger- und Pestizideinsatz produzieren Landwirte auf den Extensivflächen Schnittgut zur Heuproduktion und für Biogasanlagen. Ehemals sandige Ackerböden mit schlechten Nitratrückhaltewerten entwickeln sich zu artenreichen Sandmagerrasen. Und lange bevor Blühflächen in aller Munde und in nahezu jeder Lifestyle-Zeitschrift waren, hatte Franz Kamhuber die Idee, Flächen mit der „Veitshöchheimer Bienenweide-Mischung“ einzusäen. Darüber freuen sich heute nicht nur die Imker, sondern auch die Insekten, die dort einen reich gedeckten Blütentisch finden. Auch die Jägerschaft stieg bereitwillig mit ins Boot und legte mehr als einen Hektar Wildäcker mit Blühpflanzen für Niederwild an. Denn laut Jagdpächter Herbert Bürk haben Rebhuhn, Fasan, Wachtel und Hase nur in solchen Ausgleichsflächen eine Chance, dauerhaft Schutz und Nahrung zu finden.

Schleifen für Fische
Fische hatten es bislang nicht leicht, durch Mühlendorf zu kommen. Denn ein Wehr an einer Mühle machte den Fluß dort unpassierbar. Die Lösung lag in einem Fischpass zum parallel verlaufenden Gänsbach. Der verbindet nun beide Gewässer mit sorgfältig geplanten Bachschleifen so, dass sie für Fische durchgängig sind. Damit entstanden auch am Ortsrand neue Lebensräume für viele tierische und pflanzliche Wasserbewohner. Das ist natürlich gut für die biologische Vielfalt, aber auch gut für Kinder. Denn für die ist der Bereich am Fischpass offenbar so abenteuerlich, dass sie dort leidenschaftlich gerne spielen.

Gute Beispiele in der Schule
Wie kommen nun Flurneuordnung und Jugendliche zusammen? Wie erwärmt sich diese Altersgruppe für ein Thema, das auf der Liste persönlicher Interessen eher weiter unten steht?
Dass das Bewusstsein für die biologische Vielfalt schon früh gefördert werden muss, ist bekannt. Dass das Amt für Ländliche Entwicklung dies aktiv in die Schule trägt, vielleicht nicht alltäglich. Franz Kamhuber hat die Chance genutzt und die Schüler einer Bamberger Wirtschaftsschule über die Zusammenhänge von Naturschutz und Landespflege am Beispiel der Mühlendorfer Flurneuordnung nicht nur unterrichtet, sondern regelrecht begeistert. Das hatte eine so nachhaltige Wirkung, dass die Schüler im Anschluss daran nur allzu gerne aktiv wurden. Sie legten lange Gehölzstreifen mit heimischen Sträuchern an, pflanzten um die hundert Obstbäume, entwickelten eigene Ideen für Fledermausnisthilfen und Insektenhotels und waren mit viel Engagement beim Bauen und Aufstellen der Werke in der Mühlendorfer Flur dabei. Die Förderung der biologischen Vielfalt war das Ziel. Bewusstsein und Gefühl für die Landschaft vor der eigenen Haustüre gab es gratis dazu. Deshalb lohnt sich die Investition in die Umweltbildung, denn der Erhalt und die Förderung der Artenvielfalt braucht Wertschätzung und know-how in allen Generationen.

Und wie geht es weiter?
Das Verfahren begann 1994/95, die letzten Maßnahmen wurden 2011/12 durchgeführt. Für Franz Kamhuber hat sich in Mühlendorf bestätigt, dass die Bodenordnung der Schlüssel zur Landentwicklung ist. „Es wurden Flächen aufgewertet, der Naturschutz gefördert und gleichzeitig die Bewirtschaftungsverhältnisse für die Landwirte optimiert.“ Auch das Ingenieurbüro GeoTeam aus Bayreuth, das die Entwicklung der Nitratwerte in den Brunnen laufend untersucht, bezeichnete die Bodenordnung und die Extensivierung als unverzichtbare Leistung für die Trinkwasserqualität.
Der gute Draht zu den Jägern hat sich ebenfalls für die biologische Vielfalt ausgezahlt. „Ohne diese „Wildinseln“ wären Rebhuhn, Fasan, Wachtel und viele Reptilien im Aurachtal nicht mehr vertreten“, davon ist Jagdpächter Bürk überzeugt. Was jetzt noch fehlt? Franz Kamhuber kann sich vorstellen, die Zusammenarbeit mit Imkern und die Anlage der Blühflächen stärker öffentlichkeitswirksam kommunizieren, um noch mehr Menschen für das Thema zu erwärmen. Einen guten Rat gibt er mit auf den Weg: Jede lokale Maßnahme trägt ihren Teil zum großen Ganzen bei und so ist die Förderung der Biodiversität auch auf noch so kleinem Raum eine globale Aufgabe.
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