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Früher Weideidyll, heute Adlerfarn en masse

Wie Bewirtschaftung alte Kulturlandschaften im Alpenraum wiederaufleben lässt

Adlerfarn wird mit der Sense gemäht
Adlerfarn breitet sich durch fehlende Bewirtschaftung aus
© ALE Schwaben
Die Flächen rund um den Hof von Andreas und Bianca Gerstenecker zwischen Oberthalhofen und Weißenbachmühle im Westallgäu sind nicht gerade einfach zu bewirtschaften. Im Jahr 2000 erwarb das Ehepaar das ehemalige landwirtschaftliche Anwesen mit rund zwölf Hektar Grund, davon fünf Hektar Wald, das sie gemeinsam mit ihren Kindern nun als Hobby bewirtschaften. Dahinter steckt aber noch mehr: Dem Verlust blumenreicher Wiesen im Argental wollen sie damit entgegenwirken und einen aktiven Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft vor Ort leisten. Außerdem ist der Hof mit seinen Flächen für die Gersteneckers vor allem ein Stück Ausgleich zum Büroalltag. Doch die steile Hanglage macht die Flächen schwer zugänglich und das Standortmosaik von mageren Trockenstandorten bis hin zu nassen Flächen ist komplex und erfordert größtenteils aufwändige Handarbeit. Die „Älpler“ brauchen dafür also viel ökologisches Fingerspitzengefühl und müssen großen Zeitaufwand investieren.

Ökologisch entwickeln
Andreas Gerstenecker gibt es unumwunden zu. „Wir sind keine Landwirte und somit nicht vom Fach“. Die Kenntnisse zur Bewirtschaftung der steilen, arbeitsintensiven Flächen hat er sich von benachbarten Landwirten angeeignet. Über die Jahre hat er auch die Maschinen, wie Motormäher, Heuraupe, Traktor angeschafft. Die aktuelle laufende Flurneuordnung Stiefenhofen des Amtes für Ländliche Entwicklung (ALE) Schwaben, die ihren Fokus unter anderem auf die ökologische Entwicklung des Gebietes legt, erwies sich somit für die Gersteneckers als Glücksfall.

Adlerfarn als Herausforderung
Weniger Glück bedeutete der Adlerfarn, der sich hier in weiten Teilen ausbreitet. Eine Herausforderung für den Hobbylandwirt, der die ehemaligen Viehweiden und Steilwiesen durch Schafbeweidung und extensive Bewirtschaftung wiederbeleben wollte. Denn Adlerfarn verdrängt durch seine Wuchshöhe von bis zu 2,5 Metern nicht nur andere Arten, er ist auch noch giftig für das Weidevieh. Gemeinsam mit Familie Gerstenecker entwickelten das ALE Schwaben und die Untere Naturschutzbehörde (UNB) Lindau daher ein Konzept zur Verdrängung des Adlerfarns – eine Kombination aus regelmäßiger Mahd und Trittbelastung durch Beweidung erwies sich dabei als das wirksamste Prinzip.

Behutsame Erschließung
Die steilen Hänge, die mit Maschinen kaum zu erreichen waren, hatten es dem Hobbylandwirt und seiner Frau nicht gerade leichtgemacht. Deshalb war eine Erschließung notwendig. Eine Besonderheit bei den Wegebaumaßnahmen war der Erschließungsweg für die obere Viehweide. Nur die steilsten Stellen wurden in einer ressourcenschonenden Bauweise befestigt und der Weg naturverträglich nach historischem Vorbild in die Landschaft integriert. Ein erster, wichtiger Schritt – denn laut Markus Schweighöfer von der UNB Lindau, der Familie Gerstenecker ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite steht, liegt in Stiefenhofen das größte zusammenhängende Magerrasengebiet im Landkreis Lindau. Rund um den Hof der Gersteneckers ist das Spektrum der Pflanzengesellschaften, wie es hier früher mal vorhanden war, noch in fragmentierter Form ausgebildet: Von den Borstgrasrasen, Pfeifengras-Streuwiesen, Glatthafer- und Goldhafermähwiesen bis hin zu seggen- und binsenreichen Nasswiesen.

Kooperation und Geduld
Durch die Erschließung konnten die zugewachsenen Flächen im ersten Schritt sukzessive entbuscht und von einzelnen, größeren Gehölzen befreit werden. Familie Gerstenecker scheut dabei auch vor klassischer Handarbeit nicht zurück. Wo es nötig ist, greifen sie zur Sense, und für bodenschonende Durchforstungsmaßnahmen kommen Kaltblut-Pferde zum Einsatz. All das bedeutet: viel Geduld und Aufwand. Mittlerweile sind dank der guten kooperativen Zusammenarbeit aller Akteure fast siebzig Prozent der Flächen wieder in ihrem kulturhistorischen Zustand und bieten Lebensraum für Flora und Fauna. Die landwirtschaftliche Nutzung hält die Landschaft offen, das fördert die Artenvielfalt, stellt Lebensräume wieder her und stärkt damit den Biotopverbund vor Ort. Hier zeigt sich, was erreicht werden kann, wenn Landnutzer, Naturschutz und Ländliche Entwicklung Hand in Hand arbeiten.
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