Am Tor zur Streuobstwiese hängt ein Herz. Am Bienenschaukasten auch. Überhaupt ist in dieser Geschichte viel Herzblut im Spiel. Anna und Norbert Heumann investieren einiges davon in die zwei Streuobstwiesen in Hohenberg, in der Nähe von Seeshaupt im Landkreis Weilheim-Schongau. Denn eine Streuobstwiese ist hier im Süden Bayerns etwas, was es kaum mehr gibt. Doch seit sie zwei Flächen von je eineinhalb Hektar angelegt haben, hat nicht nur die Landschaft ein anderes Bild bekommen. Auch die Heumanns haben eine andere Vorstellung davon bekommen, was es heißt, Bäume zu pflanzen und zum Wachsen zu bringen. Lebensmittel zu produzieren. Lebensräume zu schaffen. In ökologischen Zusammenhängen zu denken.
Streuobstwiesen als bessere Wahl
Mit ihren Jobs in einer Vermögensverwaltung und im Landratsamt hätten die Heumanns ihre Freizeit auch mit weniger aufwändigen Beschäftigungen verbringen können. Dass es Streuobstwiesen wurden, hat damit angefangen, dass Rene Bourdeaux, der Eigentümer der Fläche, etwas für seinen ökologischen Fußabdruck tun wollte. Tausend Bäume wollte er pflanzen und hat deshalb seine Mitarbeiterin Anna Heumann gefragt, ob sie und ihr Mann nicht Interesse daran hätten, so ein Projekt umzusetzen. Hatten sie. Und wie. Dass es dann nicht tausend irgendwelche, sondern zweihundert Obstbäume geworden sind, liegt daran, dass die Heumanns ziemlich schnell festgestellt haben, dass es für die Artenvielfalt und für die Landschaft viel bereichernder wäre, hier Streuobstwiesen anzulegen.
Zweihundert Bäume in zwei Jahren
Angefangen, darüber nachzudenken, haben sie 2019. Im Sommer 2021 schauen die Heumanns auf zwei große Streuobstwiesen, auf die sie 85 verschiedene Sorten Obstbäume gepflanzt haben. Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Kirschen, Quitten Nussbäume und Maronen wachsen jetzt da. Darunter Raritäten und fast vergessene Sorten, die es nur hier gibt, wie der ‚Eberfinger Magdalenenapfel‘. Einen Genpool wollen sie damit aufbauen, sagen die Heumanns, und dass die alten Sorten allergikerfreundlich seien, weil sie noch Polyphenole enthielten, das ist ihnen wichtig. Innerhalb von zwei Jahren haben sie die Fläche zu einem Teil der Landschaft gemacht, der aussieht, als sei er schon immer dagewesen und gehöre auch nur so dorthin. Inklusive verschiedener Biotopstrukturen, in denen sich nicht nur Fuchs und Hase gute Nacht sagen, sondern Wiesel, Kauze, Falken, Dachse, Schlangen und viele andere einen Lebensraum gefunden haben. „Wir haben schnell gemerkt, dass das ein sinnvolles Projekt ist, mit dem wir der Natur auch etwas zurückgeben können“, sagt Anna Heumann und aus ihren Augen spricht die Begeisterung.
Erfüllung im Tun
Dafür haben sie ordentlich geschuftet, viel gelernt und sind vor nichts zurückgeschreckt. Denn ganz so einfach war es für die beiden Quereinsteiger nicht, schließlich legt sich eine Streuobstwiese nicht von alleine an. Da heißt es Boden austauschen, Löcher graben, Zaun bauen und und und. Sie haben eine riesige Benjeshecke angelegt, Lesesteine zusammengetragen, Bänke und einen Bienenschaukasten gebaut. „Wenn man acht Stunden im Büro ist, fragt man sich, was man gemacht hat. Hier sind wir zwölf Stunden am Stück draußen, kommen völlig erledigt nach Hause, aber man sieht, was man geschafft hat, dass es wächst, dass es funktioniert,“ sagt Norbert Heumann. So, wie sie das erzählen, wirken beide sehr, sehr zufrieden. Die Heumanns sind auch ein bisschen stolz darauf, dass von den zweihundert gepflanzten Bäumen alle angewachsen sind. Das Glück spüren sie aber auch in anderen Dingen: Im Lebensgefühl, morgens um sechs hier draußen zu sein und zu erleben, wie die Natur erwacht. Oder in den vielen Gesprächen mit den Menschen, die vorbeikommen, sagen sie.
Unerwartete Hilfe
Dass da zwei mit ganzem Herzen dabei sind, hat offenbar eine gewisse Anziehungskraft. Es passierte nämlich das, was die Heumanns mit Gänsehaut erzählen: „Es kommen immer wieder Leute vorbei und bieten einfach so ihre Hilfe an.“ Mehr noch: Sie werden Teil des Projekts. Der Pomolge aus dem Nachbarort, der mit Rat und Tat bei der Sortenauswahl beistand und jetzt all sein Wissen an die Heumanns weitergibt. Der Imker, der 13 Bienenvölker auf die Wiese gestellt hat. Der Schäfer, dessen sechzig Schafe das ganze Jahr hier wohnen dürfen, und die jetzt für‘s Mähen zuständig sind. Der Gärtner, der schnell mal Geräte bringt, wenn er sieht, dass etwas fehlt. Alle kamen genau dann, als die Heumanns sie brauchen konnten. Für das Ehepaar eine unglaubliche Erfahrung. „Sie alle bringen sich unentgeltlich ein und packen schnell mal an, wo es nötig ist. Das ist unheimlich bereichernd mit solchen Menschen zu tun zu haben“, sagt Anna Heumann, „etwas geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Das ist sensationell.“
Viele Pläne
Romantische Träumer sind die Heumanns aber nicht. Was sie tun, tun sie sehr professionell. Ein Generationenprojekt sei das, das sie zu immer neuen Ideen anspornt. Schulen und Kindergärten möchten sie auf die Streuobstwiese einladen, für Seniorenheime stellen sie sich Ausflüge vor, und nicht zuletzt werden die zweihundert Bäume in den nächsten Jahren ja auch reiche Ernte tragen. Auch dafür haben die Heumanns Pläne, die aber alle nicht darauf ausgelegt sind, möglichst viel Gewinn damit zu erwirtschaften. „Wir möchten der Gesellschaft etwas zurückzugeben“, sagt Norbert Heumann und schließt das Tor zur Streuobstwiese. Die beiden Herzen schaukeln dabei sachte im Wind.
Kontakt:
Norbert Heumann
Alte Tölzer Straße 8
83673 Bichl
Tel.: +49 (0) 172 823 1873
info@hohenberger-streuobstwiesen.de
www.hohenberger-streuobstwiesen.de
Das Projekt wurde vom Amt für Ländliche Entwicklung Oberbayern über das Programm „FlurNatur“ unterstützt.
Text: Bärbel Faschingbauer
Fotos: Carla Hauptmann
Regierungsbezirk
Oberbayern