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Nüsse fürs Nürnberger Land

Eine Verbindung von Mensch und Natur

Judit Bartel und Elisa Sichau beim Nüsseknacken
Judit Bartel und Elisa Sichau koordinieren das Projekt "Nüsse fürs Nürnberger Land"
© Carla Hauptmann
Wer könnte da widerstehen? Wenn plötzlich ein freundlicher und schön gestalteter Flyer am eigenen Nussbaum hängt, der ein attraktives Angebot macht? „Wir suchen Nüsse, Nussbäume oder Nussliebhaber“ steht da, und damit ist der Nussbaum nicht mehr nur ein lästiges, laubwerfendes Ärgernis, sondern wird im Idealfall plötzlich als wertvoller Teil der Landschaft wahrgenommen, der auch noch nutzbare Früchte liefert. Judit Bartel und Elisa Sichau bieten dann nämlich verschiedene Wege an, die Nuss zu nutzen: Entweder erntet der Verein die Nüsse, oder er kauft getrocknete Nüsse auf, oder er organisiert das lästige Knacken in der Nussmanufaktur Gelbe Bürg im Altmühltal. Wofür man sich auch entscheidet: die Walnüsse bleiben dann nicht mehr ungenutzt unter den Bäumen liegen, sondern kommen als Nahrungsmittel auf den Tisch. Zum Beispiel als leckeres Nussmus, das der Verein im Tausch gegen die Früchte bietet.

Sortenversuche auf den Flächen
Das ist aber nur ein Teil des Projekts „Nüsse fürs Nürnberger Land“. Denn der Verein hat seine Aktivitäten auf mehrere Stränge aufgeteilt, wie die beiden Koordinatorinnen berichten. Ein weiterer sind die vier Modellflächen, die rund um Happurg entstanden sind. Dort pflanzt und pflegt der Verein Walnuss- und Esskastaniensorten. Mit der Sortenvielfalt möchte der Verein herausfinden, welche davon in dieser Landschaft geeignet sind. „Bei den Esskastanien haben wir zum einen veredelte und zum anderen wurzelechte Sorten sowie Sämlinge gepflanzt““, erklärt Judit Bartel. Dafür hat sich der Verein intensiv von Expert*innen und von Baumschulen beraten lassen, die auf diese Kulturen spezialisiert sind. So gibt es jetzt auf den Flächen zwölf verschiedene Walnuss- und neun verschiedene Esskastaniensorten und dazu noch Sämlinge aus unterschiedlichen Herkünften. Weil die Bodenverhältnisse für die Esskastanien nicht unbedingt ideal sind, wird dieser Sortenversuch sicher wertvolle Erkenntnisse liefern.

Mitmachaktionen sind mehr als Arbeit
Die Pflanzungen und die Pflege sind als Mitmachaktionen angelegt, das ist ein weiterer wichtiger Strang, ja sogar das Herzstück des Projekts: Menschen im praktischen Tun mit der Natur zu verbinden, wie Elisa Sichau sagt. Beim Pflanzen und Pflegen sind zwischen fünf und zwanzig Menschen dabei, je nachdem, was gerade ansteht. Im Schnitt fordern die Flächen ein- bis zweimal im Monat Einsatz. Baumscheiben freihalten, mähen, im Sommer die Jungpflanzungen gießen – es gibt genug zu tun. Da ist es gut, dass eine der Flächen, der Walnusshain, Teil eines Vertragsnaturschutzprogramms ist. Dort übernehmen Schafe und Ziegen den Mähjob. Auch das Nüssesammeln, trocknen, knacken, sortieren und schließlich auch die Nussmus-Produktion sind Gemeinschaftsaktionen. Alle, die dabei sind, bringen zwar Zeit und Engagement ein, sie bekommen dafür aber das gute Gefühl zurück, etwas zur regionalen Selbstversorgung, zur Schaffung von Lebensräumen und zur Bereicherung der Landschaft beizutragen. Ein Glas Nussmus gibt’s noch obendrauf.

Information inspiriert
Um die Menschen zu motivieren und Wissen zu teilen, lädt der Verein regelmäßig zu Veranstaltungen ein. „Themen sichtbar machen“, beschreibt es Judit Bartel, „auf spielerische und praktische Weise ausprobieren, was man zu einem guten Leben braucht.“ Dazu holen sie sich Expert*innen und Praktiker*innen zu den Infoveranstaltungen. Und es gibt immer etwas zum Erfahren, zum Ausprobieren und zum Schmecken. „Als es um die Esskastanie ging, gab es ein ganzes Esskastanienmenü, bei der Walnuss haben wir verschiedene Walnusssorten zur Verkostung angeboten“, erzählt sie. Das Angebot stößt auf großes Interesse, die Veranstaltungen sind sehr gut besucht. Mit den Themen scheinen die Koordinatorinnen einen Nerv in der Umgebung zu treffen.

Mehr Vielfalt in die Landschaft und in der Speisekammer
Es geht dem Verein aber nicht darum, einfach nur mehr Nussbäume in die Landschaft zu pflanzen. Vielmehr liefern Baumfrüchte, wie Wal- und Haselnüsse oder eben Esskastanien gesunde Nahrungsmittel. „Damit stellt man sich in der Nahrungsversorgung breiter auf. Das macht Landschaften resilienter, kann zum Beispiel Ernteausfälle ausgleichen. Und es ist ein Beitrag zur regionalen Selbstversorgung,“ davon ist Judit Bartel überzeugt. Deshalb gibt es auf den Modellflächen auch Hecken mit großfrüchtigen Auslesen von Felsenbirnen, Kornelkirschen und anderem Wildobst. Diese Hecken sind so ausgetüftelt, dass sie einerseits Lebensräume für Tiere bieten und andererseits gut beerntbar sind, darauf hat Judit Bartel großen Wert gelegt – auch, wenn das in der Pflege eine Herausforderung ist. Auf dem Kastanienhain hat der Verein ein kleines Agroforst-System angelegt. Um Erfahrungen mit dieser Art der Bewirtschaftung und Nahrungsmittelproduktion zu sammeln, stehen dort Baumreihen mit Esskastanien und Walnüssen in Grünlandflächen.

Pflege sicherstellen
Bleibt noch die Frage der Finanzierung. Der Verein ist froh über die Förderung wie Land.belebt oder FlurNatur über das Amt für Ländliche Entwicklung Mittelfranken und andere. Dazu kommen Spenden, Mitgliedsbeiträge, es gab eine Förderung der Deutschen Postcodelotterie und das Projekt wurde mit dem Jurypreis vom Förderpreis der Raiffeisenbank Nürnberger Land ausgezeichnet. Klar, das Geld ist immer knapp, und als große Herausforderung empfinden es Judit Bartel und Elisa Sichau, die Pflege der Flächen langfristig zu gewährleisten. Denn auch, wenn sich die Menschen gerne ehrenamtlich in diesem Projekt engagieren, sind doch die Ressourcen, die jede und jeder einbringen kann, begrenzt. Hier sehen sie die große Aufgabe, das Projekt in Bahnen zu lenken, in denen die Idee, die Landschaft zu bereichern, zur Ernährungssicherheit beizutragen, gemeinschaftliches Engagement zu fördern und verschiedene Formen der Landnutzung zu etablieren, weiter Früchte trägt.

Mehr über die Koordinatorinnen des Projekts hier
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