Zum Inhalt springen

Evelin Rosenfeld

Die Bergbeleberin

Evelin Rosenfeld inmitten blühender Kräuter
Evelin Rosenfeld
© Carla Hauptmann
Wie kommt jemand, der jahrelang zwischen Deutschland, Teneriffa und Thailand gependelt ist, dazu, in einer eher abgelegenen Gegend Kräuter anzubauen? Nun, eigentlich hatte Evelin Rosenfeld etwas ganz anderes im Sinn, als sie das Anwesen, ihren Berg, im Coburger Land gekauft hatte. Als Strategieberaterin für Unternehmen waren Nachhaltigkeit und Werteintegration ihre Themen. Sie hat Coachings und Auszeiten für Führungskräfte durchgeführt und Menschen auf dem Weg zu authentischen Lebensentwürfen begleitet. Lange war sie dafür in verschiedenen Welten unterwegs. So etwas konnte sie sich jetzt auch für ihr Haus in ihrer neuen alten Heimat, die sie so gut kannte, vorstellen. Doch es wurde etwas anderes. „Als der Hausumbau fertig war, habe ich begonnen, das Land zu pflegen und die Vielfalt des Grundstücks zu entdecken, und ich habe die Potentiale und Schätze der Landschaft gesehen,“ sagt sie. Dann kam ein Bruch. Der Mittelfußknochen.

Alles kein Beinbruch
Sechs Wochen auf dem Sofa und ein Traum haben ihr dann deutlich gemacht, was sie eigentlich hier tun wollte. Für und mit und aus dem Land wollte sie leben. Und so reifte der Plan für den Kräuteranbau und eine Destille. Gut, dass sie Pflanzen von Kind an als ihre Verbündeten gesehen und erlebt und von ihren Großeltern ein tiefes Wissen und Verständnis dafür mitbekommen hat. Dass sie Biochemie und Betriebswirtschaft studiert hat, war für ihr neues Unternehmen eine gute Grundlage. „2018 habe ich die Wiese am Ostrand des Grundstücks aufgebrochen. Hunderte von Töpfchen mit Salbei, Ysop und Thymian standen auf der Terrasse, die ich dann Stück für Stück auf den Knien in die aufgebrochene Wiese gesetzt habe“. Heute erntet sie jährlich zwei Tonnen Heilkräuter. Daraus stellt sie Reindestillate in höchster Qualität her, auch Tees hat sie im Angebot, und es gibt sogar einen Kräutertabak, das hat sie aus alten Rezepten übernommen.

Reine Handarbeit
Alle Schritte – Aussäen, Jäten, Ernten, Trocken ohne Strom in selbstgebauten Holzhäuschen, Destillieren über offenem Feuer bis hin zur Vermarktung der fertigen Produkte macht sie selbst. Die Kräuter sind jetzt ihre Lebensgrundlage, auch wenn die ihr deutlich weniger Einkommen einbringen, als ihr früheres Berufsleben. „Doch ich war noch nie in meinem Leben so erfüllt“, sagt Evelin Rosenfeld. 50.000 Setzlinge hat sie bis heute gepflanzt und alle aus Samen selbst herangezogen. Den Kräutergarten hat sie in kleine Segmente eingeteilt, alle Arbeiten werden von Hand erledigt. Maschineneinsatz ist tabu, das wäre in der kleinteiligen Anlage auch gar nicht möglich. Evelin Rosenfeld arbeitet nach den Prinzipien der Permakultur, sie will ihren Berg nicht ausbeuten, sondern reicher machen. Das ist aber nicht unbedingt eine leichte Aufgabe bei einem schweren, von vielen Steinen durchsetztem Tonboden. Eine sorgfältige Bodenbearbeitung von Hand, der Einsatz von Kompost und Bokashi ist da essentiell – und erfolgreich. „Nach drei Jahren ist der Boden voller Regenwürmer und Mikroorganismen“, freut sie sich. Im benachbarten Acker, den sie kürzlich „freigekauft“ hat, wie sie sagt, sieht es da noch anders aus. Dort hat sie ein Stück Arbeit vor sich, damit das Bodenleben aufblüht. Doch Evelin Rosenfeld scheint eine Vereinbarung mit ihrem Berg zu haben: Sie tut ihm gut und er ihr.

Wilde Grundlage
„Mein Ziel ist es, das gesamte Grundstück zu seiner größten Blüte zu entwickeln“, sagt Evelin Rosenfeld. 5,5 Hektar sind da nicht wenig. Kräuter baut sie nur auf zwanzig Prozent der Fläche an. „Achtzig Prozent des Grundstücks ist wild, das ist ganz wesentlich“, sagt sie. Denn sie versteht Landschaft nicht als „skalierbares Konsumgut, sondern als kostbares Geschenk“. Den Nachbaracker hat sie zugekauft, weil ihr die konventionelle Bewirtschaftung darauf ein Dorn im Auge war. Stattdessen entstehen dort als nächstes Projekt neue, vielfältige Strukturen, die der Landschaft guttun. Für eine Magerwiese wird sie Mähgut aus der eigenen Wiese übertragen. Streuobst, Wildobst, und eine wechselfeuchte Mulde sind im Entstehen. Dazu soll es drei Lehrgärten mit verschiedenen Schwerpunkten geben. Auch kann sie sich vorstellen, für Schulen und Kindergärten ein grünes Klassenzimmer einzurichten.

Mit der richtigen Haltung
So langsam ziehen ihre Ideen und Vorstellungen auch Kreise bis in das Dorf. Landwirte, die zunächst mehr als skeptisch waren, unterstützen sie mittlerweile und schauen sich an, wie sie mit einer maschinenfreien Bodenbearbeitung, ausgewählten Pflanzennachbarschaften und einer sparsamen Wasserbewirtschaftung Pflanzen höchster Qualität produziert. Doch das ist es nicht alleine. Sie ist davon überzeugt, dass ihre eigene Haltung, mit der sie mit den Pflanzen arbeitet, deren Wirksamkeit beeinflusst. Und die ist wiederum die Grundlage ihres Unternehmens. Eine Brücke zwischen Ökonomie und Natur möchte sie finden. „Doch wie das mit der Natur so ist, es geht langsam, es muss zusammenwachsen und sich entwickeln“, sagt Evelin Rosenfeld, die Kräuter- und Brückenbauerin.


Kontakt:
Evelin Rosenfeld
www.wild-natural-spirit.org
info@wild-natural-spirit.org

Lesen Sie hier mehr zum Projekt
Vorheriger Land.Beleber Nächster Land.Beleber