Wer in der dünn besiedelten Rhön aufwächst und die Sommerferien regelmäßig bei den Verwandten in einer 11-Millionen-Stadt in China verbringt, der lernt ziemlich gut mit Gegensätzen umzugehen. Perspektiven zu wechseln. Sich in verschiedenen Gesellschaften zu bewegen. Zwischen Welten zu wandern. „Was mich geprägt hat, sind Kontraste“, sagt Erik Seifert. Als Sohn eines Rhöners und einer Chinesin waren ihm unterschiedliche Blickwinkel also fast schon in die Wiege gelegt. Wir treffen ihn im Sommer 2023 auf der Höhe am Ortsrand von Hendungen. Schön ist es hier am Waldrand, viel Natur, ein Feuchtbiotop, eine Streuobstwiese, Gemüsebeet, idyllische Sitzplätze mit Ausblicken in die Rhönlandschaft – es ist alles da, was einen Ort zu dem macht, was viele Menschen als Paradies bezeichnen würden. Schon sein Vater hat hier auf dem Grundstück angefangen, Strukturen für mehr Artenvielfalt zu schaffen. Und weil Erik Seifert gerne noch ein Stück weiterdenkt, gibt es jetzt hier eine Baustelle, die das Feuchtbiotop noch viel größer macht. Und auch sonst kann er sich einiges mehr vorstellen, was auf dieser Fläche passieren soll.
Ein bewegter Lebenslauf
Dabei lag zuerst ein ganz anderer
Lebensweg vor ihm. Ein duales Studium zum Wirtschaftsingenieur versprach
Sicherheit, Karriere und Geld. Doch schon in den ersten Berufsjahren hat Erik
Seifert gemerkt, dass das nicht in seiner Natur liegt. Deshalb gab es für ihn
nur eins: „Raus aus dem was alle gesagt haben, was gut für mich ist, und rein
ins Abenteuer,“ so beschreibt er es. Also hat er sich nach Themen umgeschaut
die ihn interessieren. Hat sich mit Kryptowährungen, Alternativmedizin und
Wasseraufbereitung beschäftigt und sein Wissen darüber als Referent weitergegeben.
Später hat er mit Kindern und Jugendlichen als Lehrer an der Freien Schule in
Hendungen gearbeitet. Derzeit studiert Erik Seifert Landschaftsarchitektur an
der FH Erfurt, und damit scheint er genau das gefunden zu haben, was er als
Rüstzeug braucht, um zu tun, was ihm wichtig ist: Strukturelemente in die Landschaft
bringen und die Region entwickeln und gestalten.
Erfahrungen aus den Ökodörfern
Dafür bringt er schon einiges an
Erfahrung aus einem Ökodorf in Thüringen mit, wo er zwei Jahre gelebt hat. Das
hat auch sein Verständnis von Dorf- und Regionalentwicklung, Gemeinschaften und
Planungsprozessen geprägt: „Mitsprache und Partizipation. Ideen entwickeln und
kommunizieren, aber gleichzeitig die Ideen und Bedürfnisse der Menschen
abfragen. Menschen nicht übergehen, nicht von oben herab entscheiden, sondern Prozesse
beidseitig gestalten“, das sieht er als die wichtigste Grundlage an. „Was wir
planen, soll zum Lebensstil der Menschen passen, denen die Flächen gehören und
die sie pflegen. Denn sonst wird es ja zur Bürde“, da ist er sich sicher.
Viele Ideen für die Region
Auch deshalb ist er wieder zurück
im kleinen Hendungen und setzt mit der Anlage eines großen Biotops das um, was
er eigentlich immer tun wollte. Nicht nur mehr Strukturen in der Landschaft
schaffen, sondern Menschen für dieses Thema begeistern, und Naturerfahrung und kreative
Umweltbildung aktiv gestalten. „Wenn wir die natürlichen Gegebenheiten nutzen,
dann sind mit minimalem Aufwand tolle Ergebnisse möglich“, davon ist Erik
Seifert überzeugt. So hat er auch gemeinsam mit der Gemeinde und der Vernetzungsstelle
Ländlicher Räume ein Planspiel für Hendungen durchgeführt, bei dem viele gute
Ideen für die Dorfentwicklung herausgekommen sind, wie er findet. Nach den
ersten kleineren Projekten möchte er Schritt für Schritt an größere Ideen für
die Dorfentwicklung ran. Hochwasserschutz ist ein Thema, oder auch ein
studentischer Gestaltungswettbewerb für die Ortsentwicklung schwebt ihm vor. Auch
möchte er dort, wo die natürlichen Gegebenheiten günstig sind, mehr
Feuchtbiotope als Lebensräume und für den Wasserrückhalt anlegen. Besonders
interessieren ihn „die wenig oder unproduktiven Randbereiche der Landwirtschaft“,
die er so gestalten möchte, dass sie zum Raum für mehr Natur werden.
Mit der Natur arbeiten
„Es braucht Vielfalt und die
Balance zwischen den Extremen“, davon ist Erik Seifert überzeugt, „sowohl in
der Wirtschaft, als auch bei der Ernährung, als auch in der Natur“. Er sieht
sich in einer verbindenden Rolle, weil er sich gut in verschiedene Sichtweisen
einfühlen kann. Sein bisheriger Lebensweg war da offenbar eine ganz gute Schule
dafür. Seine wichtigste Botschaft hat er aus all seinen Erfahrungen in den
verschiedenen Welten mitgenommen: „Mit der Natur arbeiten und nicht gegen sie.
Und zwar mit der eigenen Natur als auch mit den natürlichen Gegebenheiten
draußen in der Landschaft. Dann geht es leicht.“
Mehr zum Projekt Biotoplandschaft Hendungen hier
Kontakt:
Lebensraum Projektentwicklung
Erik Seifert
97640 Hendungen
Info@lebens-raum.org
+49 177 3929565
Text: Bärbel Faschingbauer