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Tausendfach vervielfältigt

Das Netzwerk Streuobst Bayerischer Vorwald

Der tausendste Baum wurde im Oktober 2018 in Wiesenfelden gepflanzt.
Der tausendste Baum wurde im Oktober 2018 in Wiesenfelden gepflanzt.
© Land:Belebt
In Niederbayern beweisen mittlerweile 23 Gemeinden, dass es sich auch wirtschaftlich lohnt, die biologische Vielfalt zu fördern. Vom Netzwerk Streuobst Bayerischer Vorwald profitiert eine ganze Region, denn damit entstand eine eigene Vermarktungsstrategie für viele köstliche Produkte.

„Jakob Fischer“ ist Nummer eintausend. Er ist von robuster Natur, ihm machen Wind und Wetter wenig aus und große Ansprüche stellt er auch nicht. Eingezogen ist er auf dem Hof der Familie Westernhuber im niederbayerischen Wiesenfelden. Zusammen mit rund dreißig weiteren neu gepflanzten Obstbäumen bildet der Apfel-Hochstamm jetzt eine Streuobstwiese und ist ein wichtiger Teil des Netzwerkes Streuobst Bayerischer Vorwald. Tausend neue Obstbäume wurden seit 2011 gepflanzt, und dass es dazu kam, ist dem Zusammenschluss von 23 Gemeinden im nördlichen Landkreis Straubing-Bogen zur ILE nord23 zu verdanken. Denn ein Projekt der „Integrierten Ländlichen Entwicklung“ (ILE) war es, die regionale Obstkultur und die Artenvielfalt der Streuobstbestände zu fördern und daraus wertvolle regionale Produkte zu gewinnen – und zu vermarkten.

Netzwerk Streuobst Bayerischer Vorwald
Darauf haben sich zunächst acht der 23 Gemeinden eingelassen und das Netzwerk gegründet, das den traditionellen Obstbau im milden Klima des Bayerischen Vorwaldes erhält, und das zugleich zum BayernNetzNatur gehört. „Ein tolles Projekt mit vielen Partnern und einer engen Zusammenarbeit “, sagt Peter Aigner vom Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Niederbayern. Seine Behörde hat das ILE-Konzept und die Vermarktungsstrategie mitfinanziert. Denn auch das gehört zur Förderung der biologischen Vielfalt, schließlich ist die Nutzung des Streuobstes die beste Garantie für dessen Erhalt und Pflege. Die Regierung von Niederbayern hat dafür den Naturschutzteil, also die tausend Neupflanzungen und die Pflege von über fünfhundert überalterten Obstbäumen und Hecken gefördert, und der Landschaftspflegeverband Straubing-Bogen hat diese Maßnahmen koordiniert. Nicht nur Gemeinden und Vereine haben dieses Angebot angenommen, auch viele Landwirte und private Grundstücksbesitzer pflanzten Obstbäume auf ihre Wiesen. Mittlerweile wurde das Projekt auf alle 23 ILE-Kommunen ausgeweitet.

Mehr Obst macht die Landschaft schöner
Damit aus Pflanz- und Pflegemaßnahmen aber ein langfristig funktionierendes Konzept und handfeste Produkte werden, müssen viele an einem Strang ziehen. Landschaftspflegeverband, Kreisfachberatung, Obst- und Gartenbauvereine, Grundstücksbesitzer, Naturschutzverwaltungen und Obstverwerter waren schnell mit an Bord. Mit Cornelia Reiff vom ALE und Bürgermeister Rudolf Seidenader aus Neukirchen gab es zudem treibende Motoren für das Projekt. Hier haben eben nicht viele Köche, respektive Projektpartner, den Brei verdorben, vielmehr wurde aus einer Idee eine engagierte Gemeinschaft und eine starke Marke. Die Vorteile liegen auf der Hand und sind nicht zuletzt unschlagbare Qualitäts- und Marketingargumente: Die jahrhundertealte Kulturlandschaft vor den Toren des Bayerischen Waldes bleibt erhalten und wird belebter und strukturreicher. Das fördert die biologische Vielfalt, denn Streuobstwiesen sind artenreiche Lebensräume für Vögel, Insekten, Fledermäuse und Kleinsäuger. Ihre extensive Bewirtschaftung fördert die Vielfalt der Pflanzenarten, und überdies bleiben wichtige Obstsorten erhalten, die perfekt an das lokale Klima angepasst sind. „Und ein belebtes Landschaftsbild ist attraktiv für den Tourismus, genauso wie heimische Produkte, die daraus entstehen“, fasst Peter Aigner zusammen.

Sommergold und Streuobstler
Wie aber jetzt die Ernte aus den Streuobstwiesen zu einem Netzwerk-Produkt machen? Dafür braucht es eine professionell aufbereitete Marke, engagierte Gemeinden, eine aufgeschlossene Kelterei und Vertriebspartner: Mit Unterstützung des Netzwerks organiseren die Kommunen im Herbst Termine, an denen Äpfel an zentralen Punkten eingesammelt und zur Kelterei gebracht werden. Die presst daraus einen naturtrüben Saft und versieht die Flaschen mit dem Etikett des Netzwerkes. „Vorwald – ganz nah am Ursprung“ heißt die Marke, unter der dann der Saft in den örtlichen Supermärkten, Getränkehandlungen und Gastronomiebetrieben erhältlich ist. Damit aber nicht genug. Mittlerweile ist die Produktpalette mit einem Apfel-Schaumwein, dem Honigwein „Sommergold“, einem „Streuobstler“ und Honig um prickelnde, klare und süße Vorwald-Köstlichkeiten erweitert worden. Zunehmend interessieren sich mehr landwirtschaftliche Betriebe und private Unternehmer dafür, Produkte aus dem Streuobst unter dem Netzwerk-Label herzustellen. Schließlich bietet es eine ideale Chance, mit regionalen Erzeugnissen vom Qualitätsbegriff der „Naturschutzmarke“ zu profitieren und sich damit einen weiteren Erwerbszweig aufzubauen.

So geht es weiter
So viel Herzblut, das in dem Projekt steckt, bleibt nicht unbeachtet. Sogar die Vereinten Nationen (UN) haben die Arbeit des Netzwerkes gewürdigt und ihm im November 2018 eine Auszeichnung für ihren Einsatz zum Erhalt der biologischen Vielfalt verliehen. Peter Aigner wünscht sich nun sehr, dass das Projekt genug Schwung bekommen hat, dass es auch ohne staatliche Förderung weiterläuft. Die Zeichen dafür stehen gut, denn das Folgeprojekt ist schon gestartet. „Kultur.Landschaft.Kulinarik“ heißt das Konzept, das vom ALE gefördert wird. Auch hier steht im Vordergrund, die Schätze der Natur und Landschaft zu heben und qualitätvoll zu verbreiten. Damit solche Projekte aber erfolgreich sind, braucht es eine breite Basis aus möglichst vielen Akteuren, ein paar Zugpferde in den Ortschaften und Planer, die voll und ganz hinter dem Projekt stehen und mit Herzblut dabei sind. Da sind in diesem Fall wohl genau die Richtigen zusammengekommen.

Mehr unter: www.ile-nord23.eu

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