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Wenn Wiesen umziehen

Die Flächen am Kreuzberg in Thierhaupten sind als Spender für neue artenreiche Mähwiesen geeignet. Ein örtlicher Landwirt pflegt die Wiese im steilen Gelände mit seiner Familie seit über zwanzig Jahren zum Teil in Handarbeit.
Die Flächen am Kreuzberg in Thierhaupten sind als Spender für neue artenreiche Mähwiesen geeignet. Ein örtlicher Landwirt pflegt die Wiese im steilen Gelände mit seiner Familie seit über zwanzig Jahren zum Teil in Handarbeit.
© Land:Belebt
Ein ganz besonderer Wiesentyp erfährt in den schwäbischen Lechauen eine Renaissance. Ein ganz besonderer? Eigentlich waren magere, artenreiche Mähwiesen einst Standard, nur sind sie immer seltener geworden. Doch in Thierhaupten entstehen in der Flurneuordnung gerade wieder neue Flächen mit diesem Wiesentyp, der eine große Vielfalt von Pflanzen und Tieren birgt.

Magere Flachland-Mähwiesen, so der fachliche Begriff, sind Wiesen, „wie man sie sich klassisch vorstellt“, sagt Christine Lunzner vom Amt für Ländliche Entwicklung Schwaben (ALE). Bunt, artenreich, wenig gedüngt und zweimal im Jahr gemäht, sind sie Teil der Maßnahmen, die in der Flurneuordnung von Thierhaupten im Landkreis Augsburg in den Lechauen für eine strukturreiche Landschaft sorgen werden. Die Voraussetzungen dafür hat der Lech mit all seiner Dynamik geschaffen. In seinen Kiesablagerungen, Flutrinnen und Überschwemmungsbereichen sind ganz unterschiedliche Standortbedingungen entstanden. Doch seit seiner Regulierung im 19. Jahrhundert wurden nasse Flächen aufgefüllt und intensiv landwirtschaftlich genutzt, die einstigen Rinnen und Flutmulden sind aber immer noch erkennbar. Daraus werden derzeit rund dreißig Hektar ökologisch wertvolle Lebensräume in der Auenlandschaft entwickelt.

Erst mal mager werden
Dazu gehören eben auch die artenreichen, mageren Mähwiesen, ein Wiesentyp, der wegen seines Blütenreichtums wichtiger Lebensraum für viele Insekten, insbesondere Tagfalter- und Heuschreckenarten und damit auch Nahrungsquelle für viele Vögel ist. Durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung sind diese Wiesen allgemein stark im Rückgang. Doch in den Thierhauptener Lechauen eignen sich die tiefgründigen Flächen ideal für diesen FFH-Lebensraumtyp. Neunzehn Hektar Ackerland oder Intensivwiesen werden hier gerade dazu umgewandelt. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern braucht eine sorgfältige Vorbereitung. Denn am Anfang steht das Ausmagern der Flächen, um den Nährstoffüberschuss aus der intensiven Nutzung abzubauen. Das ALE Schwaben testet derzeit gleich mehrere Verfahren, je nachdem, welches sich auf den verschiedenen Flächen am besten eignet.

Gemähtes zieht um
Eine Variante ist, zunächst einmal nährstoffhungrige Pflanzen dort anzubauen. 2017 wurde deshalb auf einigen Flächen Hafer eingesät, der dort ohne Düngung herangewachsen ist, dem Boden Nährstoffe entzogen und so die Voraussetzung für die Pflanzengesellschaft der artenreichen, mageren Mähwiese geschaffen hat. Auf anderen Flächen wurde der Boden durch mehrfaches Grubbern vorbereitet. Diese oberflächliche Bodenlockerung dämmt den Aufwuchs von Unkräutern, also von zu konkurrenzstarken Pflanzen ein. Was dann folgte, heißt „Mähgutübertragung“ und bedeutet, dass bestehende Wiesen dieses Typs aus der näheren Umgebung im Juni/Juli gemäht und das Schnittgut auf die neuen Flächen aufgebracht wird. Der Vorteil ist: Die darin enthaltenen Samen fallen dort zu Boden und während das Mähgut langsam zusammenfällt, beginnen die Samenkörner unter dieser leicht feuchten Decke zu keimen. Im besten Fall steht schon im Herbst eine einigermaßen gute Wiese da. Was aber auch noch entscheidend ist: Mit dem Mähgut ziehen auch gleich die Eier und Puppen von Insekten auf die neue Wiese um.


Auf die Spender kommt es an
Und wie sieht es mit der klassischen Aussaat von passenden Samenmischungen aus? Auch das hätten sie auf einer Fläche gemacht und eine Basismischung von standortheimischem Saatgut ausgebracht, berichtet Christine Lunzner. Doch im trockenen Sommer 2018 waren die Flächen mit der Mähgutübertragung im Vorteil, auch insgesamt scheinen sich die Erfolge damit schneller einzustellen. Deshalb möchte sie diese Methode weiter forcieren, um noch mehr Flächen zu mageren, artenreichen Mähwiesen zu entwickeln. Dabei schätzt sie die Zusammenarbeit mit dem Landschaftspflegeverband Augsburg, der mit der Mähgutübertragung viel Erfahrung hat. Doch es ist gar nicht so einfach, genügend „Spenderflächen“ zu bekommen, aus denen das Schnittgut für neue Wiesen gewonnen wird. Da ist es gut, dass es noch einige wenige Flächen dieses Wiesentyps im Umkreis gibt. Insgesamt dauert es vier bis fünf Jahre, bis sich stabile Wiesenflächen mit Margeriten, Wiesen-Salbei, Glatthafer, Bocksbart, Flockenblume, Wiesen-Pippau, Wiesen-Glockenblume und anderen etabliert haben. Zwei Mal pro Jahr wird gemäht, und wenn die Randbereiche der Wiesen stehen bleiben dürfen, finden Insekten und Schmetterlingseier darin ein gutes Überwinterungsquartier.

Die Form zurückgeben
Im gesamten Verfahrensgebiet war der Lech als gewaltiger Landschaftsgestalter am Werk. Das versucht man nun wieder nachzuvollziehen. Auf den flachgründigen Standorten mit Kiesablagerungen entstehen zusätzlich fast fünf Hektar Magerrasen. Ehemalige Flutrinnen werden wieder geöffnet, auwaldartige Gehölzstukturen und Hecken entwickelt und auf passenden Flächen bekommt das Gelände wieder die welligen Formen, die der Lech einst hinterlassen hat. Magere Flachland-Mähwiesen sind dabei ein wichtiger Baustein der Vielfalt in diesem Mosaik.

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